UEDING, G. Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Türbingen: Niemeyer, 1992-2009. 10 vols.
Ueding, G. Historisches Wörterbuch. 1992: Band I, 436-444
Ambiguitas, amphibolia
[p. 437] Unter der Ambiguitas versteht man die Zwei- oder Mehrdeutigkeit eines Wortes, einer Wortgruppe oder eines Satzes. Sie wiederspricht dem Ideal der perspicuitas, fällt also unter die Kategorie der obscuritas, führt aber “nicht ins Dunkel” sondern “lässt die Wahl zwischen zwei Sinnen”. Der Status der Ambiguitas ist ohne Wissen um die Intentionen des Textproduzenten nicht zu ermitteln: Sie kann einen stilistischen Fehler darstellen oder einem aptum untergeordnet sein. Eine Ambiguitas wird durch den Kontext oder durch die Paraphrase aufgelöst. Die Ambiguitas ist daher nicht grundsätzlich eine rhetorische Figur, sondern eine sprachanalytische Kategorie bzw. Eine semantische Form, die rhetorisch genutzt werden kann. Sie ist von der Vagheit zu unterscheiden, da diese keine Wahl zwischen bestimmten Interpretationen eröffnet, sondern es grundsätzlich an Bestimmtheit fehlen lässt.