Retórica y ficción narrativa de la Ilustración a los romanticismos

Antithesis. Recepción alemán

UEDING, G. Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Türbingen: Niemeyer, 1992-2009. 10 vols.

Ueding. 1992.  vol. 1. 722-749

Antithese, contrarium

[p. 722] Die Antithese ist  zunächst eine Kategorie der Stiltheorie (elocutio). Ihr lateinischer Name lautet contrapositum, contrarium (Qvint. 9, 3, 81) gelegenthlich erscheinen in Wechsel die Ausdrücke contentio (Rhet. Her. 4, 15, 21) und compositum ex contrariis (Aqvila Rhet. 22, p. 29). Sie wird teils als Wortfigur, teils als Sinnfigur aufgefasst und von Aristoteles mit dem Begriff der Periode (periodos) in Verbindung gebracht. Wenn ein anderer griechischer Terminus für die Antithese synkrisis lautet, so zeigt das ihre Ambivalenz an. Es geht um eine Zusammenstellung von gegensätzlichen Worten oder Aussagen, die gleichermassen in kritisch-trennender wie in synthetischer Absicht erfolgen kann. Darin bekundet sich die Nähe dieser Figur zu Dialektik, die im Rahmen der rhetorischen Systematik durch die ars inveniendi, die Erfindungskunst oder Topik, vertreten wird, wo die Aufmerksamkeit sich auf die Inhaltsseite der Rede (pragmata res) richtet und die Faktoren des rhetorischen Beweises (enthymema) betrachtet werden, unter denen der Ort aus dem Gegensätzlichen (topos ex enantion, locus ex contrariis) eine wesentliche Rolle spielt. Die zweifache Thematisierung der Antithese kennzeichnet ihre vermittelnde Funktion: ihr systematischer Ort ist das Grenzgebiet, in dem die Theorie des sprachlichen Ausdrucks sich mit der Theorie des Denkens und Erkennens berührt. Dieser Doppelstellung dürfte die Antithese ihre weitreichende philosophische und literarische Bedeutung verdanken.

 Ueding. 1992. sect. IV Manierismus, Barock. vol. 1.  740-741

Im Manierismus ist die Antithese das Stilelement einer zwiespältig gestimmten Formkunst. Sie ist hier 1) Figur des unsicheren Schwankens zwischen den Extremen, 2) Medium des bewussten Vereinigungswillens, der sich am Gegensätzlichen entzündet, und 3) Ausdruck des Bedürfnisses nach dem starken Augenblicksreiz, nach der ästhetischen Suggestion.  Obschon das Schwelgen in der Mannigfaltigkeit der Figuren überhaupt den Manierismus charakterisiert, ist das Antithetische insofern zentral, als es die uneigentliche Ausdrucksweise insgesamt durchzieht. In der bevorzugten Bildung von sog. Oppositions-Metaphern schlägt sich das exemplarisch nieder. In der Metaphern-Stilllehre des E. Tesauro, eines der führenden Manieristen im 17. Jahrhundert gelten als Beispiele gelungener Metaphorik Wendungen wie ”die Schildkröte ist die Lyra ohne Saiten“ ”die Orgel ist eine Nachtigall ohne Federn“. Man sucht eben die Klarheit in der Verdunkelung und gefällt sich darin, das Änigmatische zu machen. Dazu passt die Vorliebe für das Zweideutige ebenso wie die Tendenz zum scharfen Kontrast. Historisch gehört der Manierismus in die Phase zwischen Renaissance und Barock. Er schärft den Blick für die Antithetik des In-der-Welt-Seins, und er meistert die Möglichkeiten, sie zur Sprache zu bringen.

 Eines der wesentlichen Schnittfelder von Manierismus und Barock ist die ”argutia-Lehre“, wobei allerdings als erscheinende Differenz zu beachten bleibt, dass die barocken Rhetoriken eine funktionalistische, am Überredungsziel ausgerichtete Grundperspektive festhalten. ”Die Rhetorica ist ein Kunst von einem vorgesetzten  Ding zierlich zureden und künstlich zuoberreden“ so schreibt J. M. Meyfart in seiner ”Teuschen Rhetorica“. Dort liest man des weiteren die Forderung, es müsse in der Weise geredet werden “das die jenseitigen, an welche die Rede geschicht, nach Gelegenheit der Zeit sittiglich und gewaltiglich oberredet werden“.  Massstab rhetorischer Leistung ist, wie Meyfart ausdrücklich betont, der Hörer. Freilich steht die ”Teutsche Rhetorica“ ausserhalb der ”argutia-Bewegung“. Und so findet sich die Antithese nicht eigens behandelt –sie erscheint allenfalls als unselbständiges Element der Ironie-, obwohl die rhetorischen Tropen und Figuren ansonsten extensiv vorgestellt und mit Beispielen erläutert warden.

 Ueding. 1992. vol. 1. 743

Aufklärung 18 Jh. Der Anspruch, Organon vernünftiger Selbstbehauptung zu sein, ist massgebend für die aufklärerische Akzeptanz der Rhetorik. Die Durchsetzung der Vernunft bildet demgemäss das Ziel, auf das hin J. C. Gottsched die rhetorische Hauptaufgabe mit den Worten fixiert ”Diejenige Beredsamkeit nun, welche  sich der ersten  Art der Beweisgründe bedienet, die Vernunft und Wahrheit gemässt sind, wollen wir  eine falsche Beredsamkeit nennen. Wie Meyfart lehnt auch Gottsched eine Rhetorik des blossen Wortspiels ab, um stattdessen eine Rede zu fordern, die durch die Bewegungskraft ihrer Erschliessungen Überzeugung schafft und   Entschiedenheit zeitigt. Die Eigenart rhetorischer Begründungen erkennt darin, dass sie das Wahrscheinliche in Problembereichen geltend machen, in denen demonstrative Gewissheit entweder überhaupt nicht oder zumindest nicht von der Mehrzahl der Menschen erlangt werden kann. Am wichtigsten ist hier Gottscheds strikte Rückbindung der Rhetorik an die Philosophie, wobei er die Logik und die Ethik, nicht zuletzt aber auch die Psychologie ins Auge fasst. (…)

Ueding, 1992.  vol.1. 744

Dass in der Bestimmung der Figuren durch die Aufklärungsrhetorik ein stoischer Einfluss richtunggebend eingreift, wird besonders an den Gedanken der Zugehörigkeit der Figuren zur Natur der Sprache evident. Exemplarisch drückt ihn J. A. Fabricius mit den Worten aus: „Die regungen des willens druckt die natur fasst von selbsten, und ohne zwang in der rede aus, dadurch , dass sie denen redens-arten und worten, durch besondere stellung und aussprache, gewisse neben-ideen anhengt, daraus man die verhältnisse des affects zu der sache, durch eine sympathtische Kraft abnehmen und in dem andern erregen kann, und solche merckmahle nennt man figuren“. (…) Nachdem Fabricius den Figurenbegriff einmal mit dem psychologisch Urscprüngslichsten verbunden hat, kann ihm die überlieferte Einteilung nicht mehr genügen, muss sie ihm als orientierungslos erscheinen. (…)

Für die das Erbe der antiken Rhetorik im 18. Jh. Antretende neue Disciplin der Ästhetik gewinnt die Antithese in der Definition ihrer Schüsselkategorien –es sind dies der Geschmack, der Witz, das Genie, das Schöne und das /745 Erhebene- zentrale Bedeutung. Der methodische Ansatz der Ästhetik bleibt durchgängig von der Aufgabe her bestimmt, die mittleren, in Antithesen wurzelnden Begriffe zu untersuchen, und Gegenstand der ästhetischen Erfahrung wird gerade das, womit die diskursive, rein rationale Erkenntnis nichts anfangen kann: das Widerspruchsvolle. (…)

Ueding, 1992. vol. 1. 745

19/20 Jh. Die Romantik hat an das Niveau der ästhetischen Diskussion des 18. Jh. Das Kants «Kritik der Urteilskraft“ markiert, unmittelbar angeknüpft und dabei die antithetische Denkform durch den Begriff der intellektuellen Anschauung vertieft. Er meint das Vermögen, im Gegensätzlichen die Identität zu sehen. Anders als Hegel, der die Antithese in den Bezugsrahmen von These und Synthese und damit einer triadischen Logik der bestimmten Negation stellt, bleibt Schelling direkt der rhetorischen Figurenlehre verpflichtet. Er setzt die Antithese, um die Spezifik ihres geistigen Sinns zu erläutern, mit der Figur der Emphasis in Verbindung. Schelling gelangt so zum Entwurf einen agonalen Antithetik , deren Striktur er auf die Formel bringt: A muss sein Gegenteil (B) werden, um als A zu sein. Das hier zugrundeliegende energetische Modell definiert den Begriff des Chaos durch den des Gleichgewichts, den Begriff der Ordnung, aber durch den des Ungleichgewichts. Der chaotische Zustand hält die Energie latent, während der geordnete Zustand der Aktivierungsform von Energie ist. Demgemäss lässt sich Schellings Grundgedanke in Hinsicht auf dynamische Prozessstrukturen, wie wir sie in der Mythologie vorfinden, auch folgendermassen wiedergeben: A muss aus seinem Gleichgewicht verdrängt werden, damit die in ihm latente Energie aktiv zur Wirkung komme. (…)