Retórica y ficción narrativa de la Ilustración a los romanticismos

Verisimile. Recepción alemán

UEDING, GHistorisches Wörterbuch der Rhetorik. Türbingen: Niemeyer, 1992-2009. 10 vols.

Narratio, diegesis

Ueding. Historisches Wörterbuch. Band VI.  98-106

[p. 98] Die Narratio kann in Hinblick auf ihre Superstrukturmerkmale, ihre textuelle Einbettung, ihre Funktion und ihre funktionsabhängigen Eigenschaften wie folgt charakterisiert werden: In der Narratio wird ein als Handlungsablauf fassbares Geschehen mitgeteilt. Die Narratio ‚erzählt’ also und unterscheidet sich damit superstruktural grundlegens von der Argumentation und der Deskription Textuell eingebettet wird sie in der klassisch-rhetorischen Redeteillehre nach dem Exordium als zweites Redesegment vor der Argumentatio. Ihre Funktion bestehet darin, erzählerisch die Ausgangsereignisse, d. h. jenes Geschehen zu vergegenwärtigen, auf das sich die folgende, logisch-syllogistisch strukturierte, beweisende Argumentatio bezieht. Daraus leiten sich als wichtigste Eigenschaften der Narratio ihre Klarheit und Glaubwürdigkeit ab, weil sie nur so als Basis der Argumentation des parteiischen Orators dienen kann.

Verisimilitudo, pithanon, probabilitas, Wahrscheinlichkeit, Wahrheit,

Ueding. Historisches Wörterbuch: Band IX. 1285-1340

[p. 1285]  Die Rhetorik unterscheidet eine Vielzahl von Bedeutungen der Ausdrücke ‚wahrscheinlich’, ‚Wahrscheinliches’ und ‚Wahrscheinlichkeit’. Erstens hat das Wahrscheinliche oder Glaubhafte ein Fundament in der Sache, für die argumentiert wird. Die Wahrscheinlichkeit ist die Basis der evidentia, die wiederum der mit Kunstmitteln erzeugte Grund der Zustimmung im Urteil eines Richters ist. Zweitens kann sich Wahrscheinlichkeit auf spezielle Techniken der Glaubhaftmachung beziehen. So ist z. B. die similitudo, der Änlichkeitszusammenhang, welcher die Überzeugung mittels eines gelungenen Vergleichs herbeiführt, wahrscheinlich auf rhetorisch gestaltete Sprache und meint die angemessene Ausgestaltung der klassischen Redeteile. Die inventio ist in diesem Sinne wahrscheinlich, wenn sie für die befürwortete Parteisache einnimmt. Die narratio soll auf die natürliche, im Dargestellten angelegte. Wahrscheinlichkeit gegründet, in diesem Sinne Bericht (narratio credibilis) sein. Die argumentatio ist analog einerseits eine oratio ex ipsa re probabilis und andererseits ratiocinatio, ein Folgerungszusammenhang, der nicht zwingend, sondern plausibel ist. Dieser Sprachgebrauch macht deutlich, dass der rhetorische Begriff der Wahrscheinlichkeit seine grundlegende Bedeutung in der Zustimmungsfähig-/p. 1286 keit dessen hat, was zur Rede steht. Das Wahrscheinliche im Sinne der Rhetorik ist das, dem zur Zustimmung verholfen werden kann.

            Der Begriff der Wahrheit stellt die Rhetorik von altersher vor Schwierigkeiten. Dass eine Rede sich in ihrer narratio auf eine wahre Sache (vera res) bezieht, ist allein noch nicht hinreichend für die Zustimmung zu dieser Sache. Paradox erscheinende  Sachverhalte lassen sich mit Kunstmitteln nicht glaubhaft machen, auch dann nicht, wenn sie der Realität entsprechen.